Donnerstag, 23. September 2004
Ziegelputzer abgestürzt
Seit zwei Tagen schrammt ein Gerüst den Hof der alten Spinnerei entlang und rauscht der Sandstrahler des Ziegelputzers.

Ziegelputzer bei der Arbeit

Es ist der kleine Handwerkeralltag. Man denkt nicht daran den Unternehmen Bescheid zugeben, dass man die Autos einstauben wird und der Handwerker mit Kollege krakseln wie die Affen ungesichert rauf und runter und halten brav den Sandstrahl (oder Druckluftstrahl?) auf die Wand. Das Gerüst war bereits ganz links, da sah ich es heute morgen wieder auf der rechten Seite und hatte auch schon vor ein Foto zu machen, um über den stehengelassenen gelben Streifen abzulästern. Wie ich so vom Computer hochsehe, sehe ich durch das Fenster hinüber, wie der Arbeiter das Gerät weglegt, den Helm abnimmt und sich anstellt herunter zu klettern. Erst will er rechts absteigen, doch dann entschließt er sich für links. Er ist schon fast auf der zweiten Ebene, da sehe ich wie er abstürzt. (Der rote Kreis makiert in ungefähr seine Position)

Pause, denkt der Ziegelputzer, nimmt den Helm ab, steigt ab und ... olla da ist er schon abgest?rtzt

Ich sehe keinen Kopf wieder auftauchen. Das ist der Moment, wo ich mich entschließe nach dem Rechten zu sehen. Und richtig, wie ich in den Hof komme, liegt der Mann verletzt auf dem Bauch am Boden. Ich gehe hin, um mich über den Zustand zu informieren und höre in stöhnen. Da er bäuchlings liegt, muss ich für den Augenblick nicht fürchten, dass er sich an Erbrochenem verschluckt und ersticken könnte.

Das Beste ich hole Hilfe. Der Blick zum gegenüberliegenden Gebäude zeigt mir, dass der Unfall bereits weitere Zeugen hatte. Eine Schulklasse der Waldorfschule ist an die Fenster gestürzt und beobachtet das Geschehen. Die Lehrerin steht jedoch noch etwa in Höhe ihres Schreibpultes und ich habe nicht den Eindruck als könne ich hier erwarten, dass bereits nach Hilfe geschickt wurde. Ich stürze also wieder nach oben.

Wie gut wenn man das Rote Kreuz im Hause hat. Schnell geklopft und die Erstversorgung ist in kompetenten Händen.

Der Tatort

Auf dem Bild oben ist der Ort des Geschehens nach dem Unfall. Ein Foto von dem Verunfallten mit Rotkreuz, Notarzt p.p. habe ich bewußt unterlassen. Das ist Sache der Sensationsreporter. Aber eine Blutlache darfs schon sein. So ein kleiner Schocker.
Ohne Blut lief das nicht ab.
Eine große Blutlache verät, dass es dem Mann sicherlich nicht sonderlich gut geht.

Sein Kollegen, der als ich mit einer Wolldecke das dritte Mal erschien, war nun auch eingetroffen. Ich sah ihn kurz drauf im Fahrzeug weinend telefonieren.

Nunja ... es war der kleine Handwerkeralltag, bestimmt durch den Preisdruck am Markt und menschliche Bequemlichkeit. Sonst wäre das Gerüst ohne Rollen nicht zum Einsatz gekommen, Die Leiter oder die Schuhe des Mitarbeiters hätten bei dem Regen einen rutschfesteren Untergrund gehabt, der Kollege hätte ihn gesichert, eine zweite Leiter wäre ordentlich bis oben montiert gewesen und überhaupt hätte man sich mehr um Sicherheit gekümmert.

Zu spät. Sicher es geht bei dem Handwerksbetrieb um Arbeitsplätze. Aber ist das ein Grund fahrlässig mit Leib und Leben umzugehen? Papa sagt, weinen hilft nicht. Besser man lernt daraus.

Vielleicht auch die Schule. Denn nur Gaffen ist nicht genug. Angemessenes Verhalten kann man trainieren und die Lehrerin hätte die Gelegenheit nutzen können, ihre Schüler zu lehren, ein geeignetes Verhalten in Notsituationen an den Tag zu legen.

1. Ein Lagebericht einholen
2. Welche Maßnahmen sind erforderlich
3. Wie sollten Grundschüler sich in diesen Situationen verhalten.

Naja, vielleicht nutzen Sie ja jetzt die Gelegenheit für solche Übungen? Und vielleicht erzählt die Lehrerin ja noch selbst, was passierte und wie sie als Lehrerin damit umgehen muss. Denn ich weiß nicht was im Klassenzimmer tatsächlich los war. Es wirkte nur einfach nicht professionell auf mich.

Etwas muss ich allerdings auch noch besser in den Griff bekommen. Es genügt nicht zu wissen, dass eine blutende Kopfwunde da ist, man sollte es auch gleich kommunizieren.

Naja, die Minute die es dauerte noch einen Verbandskasten an die Unfallstelle heranzuschaffen, wird nicht zur wesentlichen Verschlechterung des Zustandes beigetragen haben. Wo aber im Augenblick meine mottenzerfressene alte Wolldecke abgeblieben ist, weiß der Geier, die ich zum Verletzten brachte. Sei's drum. Ich wünsche dem Handwerker gute Besserung und dem Betrieb einen glimpflichen Ausgang. Das Gerüst ist jetzt abgebaut.

Nachtrag: ooops. Das Gerüst hat Rollen ... vom Klang her war es als schrammte Metall über den Boden. So kann man sich täuschen. Gut das ich das Foto geschossen hatte ...

 
oben von tempa in Soziales um 15:38h| 0 Kommentare |comment